www.antipsychiatry.org
(Übers.: Heinz Kaiser)
Adresse des englischen Originaltexts:
http://www.antipsychiatry.org/stigma.htm
Ein Problem, das Sie bedenken sollten, bevor Sie einen
Psychotherapeuten (Mental Health Professional) aufsuchen, oder jemand
anderen dazu ermuntern, dies zu tun, ist das Stigma, eine sogenannte
Therapie erhalten zu haben. Wenn Sie Rat oder "Therapie" von einem
Psychiater oder Psychologen suchen, wie werden Sie Fragen beantworten, die
man Ihnen bei der Bewerbung um einen Job stellt, bei der Ausstellung von
Arbeitszeugnissen, Führerscheinen, Anträgen für Gesundheits- oder
Lebensversicherungen, Bewerbungen bei Schulen und Colleges, der Art: "Waren
Sie jemals in psychiatrischer oder psychologischer Therapie?" Wenn Sie sich
um einen Job bewerben, oder eine Arbeitserlaubnis brauchen oder einen
Führerschein ablegen oder eine Versicherungspolice abschließen wollen oder
die Zulassung für eine Ausbildungsmaßnahme benötigen, werden Sie oft
gezwungen sein, solche oder ähnliche Fragen zu beantworten. Wenn Sie
solche Fragen ehrlich beantworten, und zugeben, psychiatrische oder
psychologische "Hilfe" erhalten zu haben, wird das Ergebnis oft eine
Einschränkung wichtiger Möglichkeiten sein. Solche Fragen mit "Ja" zu
beantworten, führt oft dazu, daß Sie den Job nicht bekommen oder die
Arbeitserlaubnis, oder das Aufnahmezeugnis für die Schule oder das
Ausbildungsprogramm, oder daß ihnen der Versicherungsschutz verwehrt
wird. Manchmal werden Sie gezwungen, Ihren "Therapeuten" von seiner
Schweigepflicht zu entbinden, damit er einen Bericht über Sie machen kann,
damit Sie den Job bekommen, die Urkunde, den Versicherungsschutz oder die
Genehmigung zum Schulbesuch. Wenn Sie verschweigen, daß Sie mit
psychiatrischer oder psychologischer "Therapie" Erfahrung gemacht haben,
indem Sie "nein" sagen, müssen Sie anschließend sehr vorsichtig damit sein,
was Sie sagen, und zu wem, und Sie haben einigen Grund dafür, sich darum zu
sorgen, daß nichts rauskommt - ansonsten besteht das Risiko, daß Sie Ihren
Job verlieren, oder von der Schule fliegen, oder Ihre Urkunde wird Ihnen
aberkannt, wenn Ihre Täuschung irgendwann einmal entdeckt wird. Sie
werden möglicherweise feststellen, daß die Versicherungspolice, für die Sie
viele Jahre lang Prämien bezahlt haben, wertlos ist, aufgrund dessen, was
Sie beim Abschluß der Versicherung viele Jahre vorher verschwiegen
haben.
In seinem Buch The
Powers of Psychiatry [Die Macht der Psychiatrie], wies Jonas Robitscher,
J.D., M.D., Professor of Law and Behavioral Sciences at Emory University's
Schools of Law and Medicine, besonders darauf hin, daß "Bewerber für die
State of Georgia Bar Examination, sowie Bewerber in vielen anderen Staaten,
verpflichtet sind, Auskunft darüber zu geben ...ob Sie jemals eine Diagnose
erhalten haben über ...emotionale Störungen, eine nervöse oder geistige
Störung, oder ob sie für irgendeine dieser Leiden eine regelmäßige
Behandlung erhalten haben. Obwohl kein Fall bekannt ist, in dem am
Gericht von Georgia eine solche Information benutzt worden wäre, um einen
Bewerber nicht zur Prüfung zuzulassen oder ihm die Anstellung zu verweigern,
gibt es Fälle an anderen Gerichten, wo Bewerber deshalb abgewiesen
wurden."(Houghton Mifflin Co., 1980, p. 234).
Im selben Buch beschreibt Dr. Robitscher den Fall einer
Bewerberin einer Medical School, die am College magna cum laude graduiert
hatte, zugelassen zu Phi Beta Kappa, und die im Zulassungstest des Medical
College mit 99 Prozent abgeschnitten hatte - die aber abgelehnt wurde, weil
sie psychiatrische Behandlung gesucht hat. (pp. 238-239). Er sagte,
das sei typisch für "die Voreingenommenheit der Verwaltungen, keine
Studenten aufzunehmen oder wiederaufzunehmen, die in psychotherapeutischer
Behandlung waren oder sich einer solchen unterziehen wollen." (p.
239).
Ein Flugzeugpilot
erzählte mir, die Federal Aviation Administration hätte ihn 7 Monate
gesperrt, weil er auf einem Fragebogen zu seiner Krankengeschichte offenbart
hatte, bei einem Psychiater gewesen zu sein (für eine sogenannte Outpatient
Psychotherapie). Der Fragebogen war Teil seiner routinemäßig stattfindenden
regelmäßigen medizinischen Untersuchungen, zu denen Flugzeugpiloten
verpflichtet sind, das Verheimlichen der gefragten Informationen wird mit
Geldstrafen bis 10.000 Dollar und /oder bis zu 5 Jahren Haft bestraft.
Er erzählte mir, der Besuch beim Psychiater habe ihm gutgetan, aber die
Unannehmlichkeiten, die sich durch die Infragestellung seiner beruflichen
Qualifikation ergaben, hätten den Nutzen der psychiatrischen Behandlung bei
weitem übertroffen. Er sagte, bei Berücksichtigung aller Umstände:
"Das war's nicht wert." Bei Gesundheitsuntersuchungen von Piloten der
Vereinigten Staaten wird verlangt "Erstellen Sie eine Liste aller Besuche
der letzten drei Jahre bei einem Arzt, ärztlichen Assistenten,
Krankenpfleger, Psychologen, Klinischen Sozialarbeiter, oder einem
Spezialisten für Drogenmißbrauch zu dem Zweck der Behandlung, Untersuchung
oder Beratung. Geben Sie Datum, Name, Adresse und Typ des Health
Professionals an, den Sie konsultiert haben, und schildern Sie kurz den
Grund für die Konsultation. ... Routinemäßige Untersuchungen
der Zähne, der Augen, und FAA Periodic Medical Examinations können
weggelassen werden" (FAA Form 8500-8, italics added). Das legt nahe,
daß - im Gegensatz zur Meinung einiger Leute - jeder, der einen Psychologen
oder klinischen Sozialarbeiter konsultiert, als suspekt angesehen
wird. Das heißt, das Stigma wird nicht nur demjenigen angehängt, der
einen Psychiater besucht, sondern auch dem, der einen Psychologen oder einen
Sozialarbeiter zu Rate zieht. Routinemäßige Untersuchungen der Zähne
oder der Augen beinhalten kein Stigma und keinen Verdacht und können daher
unerwähnt bleiben.
1988 wurde
der Präsidentschaftskandidat der Democratic Party, Massachusetts Governor
Michael Dukakis, im Wortlaut der Newsweek, "beschuldigt, in
psychiatrischer Behandlung gewesen zu sein" ("The High Velocity Rumor Mill",
Newsweek, August 15, 1988, p. 22. Siehe auch Andrew Rosenthal,
"Dukakis veröffentlicht medizinische Details, um Gerüchte über seine
geistige Gesundheit zu stoppen.", The New York Times, August 4, 1988,
p. 1). Die Beschuldigungen erwiesen sich als falsch, aber durch die
Zeitungsberichte wurde der Eindruck erweckt, Dukakis'
Präsidentschaftskampagne hätte allein durch diesen einen Umstand zu Fall
gebracht werden können, daß dieser jemals einen Psychiater oder Psychologen
konsultiert hätte. Im Jahr 1972 wurde U.S. Senator Thomas Eagleton bei
der Democratic National Convention zum Vize-Präsidenten der United States
nominiert, er wurde aber wenig später wieder zurückgezogen, als bekannt
wurde, daß er sich einer psychiatrischen Behandlung unterzogen hatte,
einschließlich Klinikaufenthalt und Elektroschockbehandlung.
Bruce Ennis, ein ACLU Anwalt, der Leute
vertreten hat, die aufgrund des psychiatrischen Stigmas ihren Arbeitsplatz
verloren haben, führt aus: "Auf dem Arbeitsmarkt ist es besser, ein
entlassener Strafgefangener zu sein, als ein ehemaliger
Psycho-Patient." Er sagt: "Nur sehr wenige Arbeitgeber werden
wissentlich einen ehemaligen Psycho-Patienten einstellen." Er weist
darauf hin, daß "fast alle öffentlichen Arbeitgeber und die meisten großen
Gesellschaften ihre Bewerber danach fragen, ob sie schon einmal wegen
geistigen Krankheiten in klinischer Behandlung waren. " und "Wenn die
Antwort Ja lautet, wird der Bewerber den Job mit ziemlicher Sicherheit nicht
bekommen.". Mr.Ennis stellt zudem heraus: "wenn der Bewerber lügt und
nein sagt, läuft er Gefahr, daß die Lüge entdeckt wird.". Daraus
folgert Mr. Ennis "Es wird höchste Zeit, daß Psychiater und Richter den
brutalen Fakten ins Auge sehen. Wenn sie eine Person in die Klinik
einweisen, nehmen sie ihr nicht nur die Freiheit, sondern auch jegliche
Chance auf ein ordentliches Leben in der Zukunft." Auf der Grundlage
seiner Erfahrung als Anwalt von Leuten, denen das psychiatrische Stigma
aufgebürdet wurde, bemerkt er: "Selbst ein freiwilliger Aufenthalt in der
Klinik schafft so viele Probleme und verschließt so viele Türen, daß ein
alter Witz neue Wahrheit erlangt - eine Person, die sich selber in eine
Psycho-Klinik begibt, muß verrückt sein" (Bruce J. Ennis, Prisoners of
Psychiatry: Mental Patients, Psychiatrists, and the Law, Harcourt Brace
Jovanovich, 1972, pp. 143-144). Mr. Ennis schrieb diese Bemerkungen im
Jahr 1972, aber wenn irgendjemand dazu neigt, anzunehmen, das psychiatrische
Stigma hätte sich während der 70er oder 80er Jahre verringert, bedenken Sie
noch einmal die Reaktion der Presse und der Öffentlichkeit im Jahr 1988,
über die offensichtlich falsche Behauptung, daß Präsidentschaftskandidat
Governor Michael Dukakis in früheren Zeiten einen Psychiater aufgesucht
haben soll. Daß dies ein solch schlagzeilenträchtiges Thema sein
sollte, zeigt, wie stigmatisierend jede Erfahrung als psychiatrischer
"Patient" ist. Diese Reaktion der Öffentlichkeit ist besonders
bemerkenswert im Licht der Tatsache, daß Governor Dukakis nur beschuldigt
wurde, einen Psychiater in seinem Büro gesehen zu haben, nicht in
einer psychiatrischen Klinik
Die Annahme von Unzuverlässigkeit, fehlender Vertrauenswürdigkeit und
emotionaler Labilität bei Leuten, die irgendwann einmal psychiatrische oder
psychologische "Therapie" in Anspruch genommen haben, verfolgt nicht nur
Leute mit besonderer Verantwortlichkeit, wie Ärzte, Anwälte, Flugzeugpiloten
und Präsidentschafts-/Vize-Präsidentschaftskandidaten: In seinem Buch
Prisoners of Psychiatry, berichtet ACLU Anwalt Bruce Ennis viele
Fälle von Leuten, denen Taxifahrer-Lizensen verweigert wurden, wegen
zurückliegender psychiatrischer Behandlung, obwohl "Die meisten waren nie in
einer Klinik", und sie hatten nie etwas getan, das vermuten ließe, sie seien
gefährlich (p. 160).
In einem
ihrer Bücher schreibt Eileen Walkenstein, M.D., eine Psychiaterin: "Eine
psychiatrische Diagnose ist wie die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe,
ein unauslöschlicher Makel in Deiner Akte, der Dir folgt, wohin Du auch
immer gehst" (Don't Shrink To Fit! A Confrontation with Dehumanization in
Psychiatry and Psychology [Laß Dich nicht kleinkriegen! Eine
Konfrontation mit der Entmenschlichung in Psychiatrie und Psychologie],
Grove Press, 1975, p. 22). Wenn Sie einen Mental Health Professional
konsultieren, bekommen Sie wahrscheinlich eine Art von
"Diagnose". Zumindest in einigen Staaten sind Mental Health
Professionals, einschließlich Psychologen, dazu verpflichtet, eine
schriftliche Akte über "Diagnose" und "Behandlung" anzulegen.
Im Jahr 1992 sagte Peter Manheimer,
Vorsitzender der Commission for the Advancement of the Physically
Handicapped, in einem Kommentar zu Americans with Disabilities Act (ADA) "Es
ist überaus angebracht, daß die ADA genesende Drogenabhängige, Alkoholiker,
Personen mit AIDS und Personen mit mentalen und psychischen Behinderungen
schützt, da diese die am meisten mißverstandene und gefürchtete Gruppe
in der Gemeinschaft der Behinderten bilden. Sie haben unter der
massivsten Diskriminierung zu leiden. " (Peter Manheimer,"Reporting on
persons with disabilities", letter to the editor, Miami Herald, July
24, 1992, p. 16A - italics added).
"Eine Studie des National Institute of Mental Health in 1993 fand
heraus, daß selbst Ex-Häftlinge gesellschaftlich besser akzeptiert werden
als ehemalige Psycho-Patienten." (Chi Chi Sileo, "Rip-offs Depress Mental
Health Care", Insight magazine, January 24, 1994, p. 14.) Dieser
Artikel zitiert einen Patienten einer psychiatrischen Klinik: "Das Stigma
ist unglaublich...Denk nicht mal dran, es einem Arbeitgeber zu sagen!
Manchmal kriegen sie's trotzdem raus, und von jetzt auf nachher bist Du
nicht mehr fähig, dort zu arbeiten" (ebd.). In seiner Autobiographie
sagt Kenneth Donaldson, nachdem er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen
worden war, die Leute "akzeptierten eine psychiatrische Diagnose, die die
Struktur meines Lebens für immer zerstört hat. Danach hat nicht nur die
Gesellschaft im Ganzen, sondern haben auch meine Familienangehörigen mich
nicht mehr als Ken, den Sohn, Vater und Freund gesehen, sondern nur noch als
den psychisch kranken Patienten. Daraus würde sich eine unvorstellbare
Misere entwickeln, ein Nebel, der unser aller Leben unter sich begrub.
Und unsere Situation wäre, selbstverständlich, repräsentativ für Millionen
anderer. Der Nebel würde einsickern in meine Arbeitsstelle, meine
Beziehungen zu Ärzten, meinen Zugang zu Anwälten und Gerichten. Jede
Unternehmung, in der ich mich engagierte, würde durch das Etikett vergiftet.
Ich quälte mich und jagte anderen Angst ein." (Insanity Inside
Out, Crown Pub.,1976, p. 321).
In seinem Buch The Powers of Psychiatry, Emory University
Professor Jonas Robitscher, J.D., M.D., sagt: "Psychiater sind wegen der
Fehler und Vagheit ihrer Diagnosemethoden deshalb so kritisiert worden, weil
das Krankheitsetikett selbst eine neue Behinderung erzeugt, das eine schwere
Belastung darstellt, oft noch lange, nachdem die Symptome bereits
verschwunden sind, die zu dem Etikett geführt haben. ... Eine
Studie der Einstellungen der Bewohner einer kleinen Stadt ergab, daß fellow
townspeople andere Mitglieder der Gemeinschaft umso mehr ablehnten, umso
professioneller und spezieller die Hilfe war, die von diesen in Anspruch
genommen wurde. Mit der geringsten Ablehnung, wenn Hilfe bei einem
Geistlichen gesucht wurde, steigende Prozentzahlen der Ablehnung von Leuten,
die Hilfe bei Ärzten und Psychiatern suchen, und die meiste Ablehnung
gegenüber denen, die Hilfe in einer psychiatrischen Klinik suchen.
Eine Studie von Work Supervisors zeigt, daß das Wissen darüber, daß ein
Angestellter bei einem Psychiater in Behandlung ist, die Chance auf eine
Beförderung praktisch ausschließen würde, selbst wenn der Angestellte gute
Arbeit leistet... Der tatsächliche und der potentielle Schaden, der
Psycho-Patienten und ehemaligen Psycho-Patienten angetan wird, beschränkt
sich nicht allein auf diejenigen, die ernsthaft erkrankt waren, in Kliniken
eingewiesene oder die, die ihre Karrieren oder Ausbildung abbrechen
mußten. Psychiater wissen, daß viele Leute, die zu ihnen als ambulante
Patienten (Outpatients) kommen, weit weniger 'krank' sind als viele oder die
meisten der Durchschnittsbevölkerung. Wenn diese Leute sich
entschieden hätten, nicht Patienten zu sein, sondern Klienten oder
Gemeindemitglieder, und hätten ihre Probleme zu einem Sozialarbeiter
gebracht, zu einem Rechtsberater oder Geistheiler, das Stigma wäre ihnen
erspart geblieben. ... Die allgegenwärtigen Fragebögen, die
fragen: 'Haben Sie jemals einen Arzt konsultiert wegen einem körperlichen
oder emotionalen oder mentalen Leiden?' tragen nicht jenen Rechnung, die
dies tun sollten, aber nicht tun, oder jenen, die 'nein' sagen können, weil
sie ihre Probleme in eine Encounter Group getragen haben, in ein
Sensitivitäts-Training, ein Est Seminar oder eine Consciousness-Raising
Group, und damit dem diskriminierenden Effekt der Hilfe-Suche entflohen
sind." (pp. 230, 232, 233).
Im
Consumer Report vom August 1990 weist ein Artikel mit dem Titel "The
Crisis in Health Insurance" auf die Schwierigkeit hin, eine
Krankenversicherungs-Police zu erhalten, nachdem man psychiatrische oder
psychologische "Therapie" gesucht hat, ja selbst Eheberatung: "Praktisch
keine kommerziellen Träger und nur eine Handvoll von Blue Cross und Blue
Shield Plans sind bereit, Versicherungspolicen zu verkaufen an jemand, der
eine Herzkrankheit gehabt hat, inneren Krebs, Diabetes, Schlaganfall,
Adrenalin-Störungen, Epilepsie oder eitrige Colitis. Behandlung
wegen Alkohol- oder Drogenmißbrauch, Depression, ja sogar Besuche bei einer
Eheberatung können zu einer Verweigerung führen. Wenn Sie weniger
ernsthafte Leiden haben, bekommen Sie möglicherweise einen
Versicherungsschutz, aber zu ungünstigen Bedingungen" (p. 540 -italics
added).
Das Stigma, das damit
verbunden ist, eine psychiatrische "Therapie" zu bekommen, wurde in einem
Artikel von Kolumnist Darrell Sifford mit dem Titel "Should You Lie About
Psychiatric Care?" diskutiert, der in The Charlotte Observer
(Charlotte, N.C.) vom 10.Juni 1990 erschienen ist. Eine Mutter schrieb
an Mr. Sifford und fragte, ob ihr Sohn, ein Teenager, der dabei war, sich
zur Aufnahme an einem College zu bewerben, die Fragen über eine
psychiatrische Behandlung, die er im Alter von 15 hatte, wahrheitsgemäß
beantworten solle. Sie schrieb: "Viele dieser [College Application]
Formulare fragen nach Informationen betreffs irgendwelchen psychiatrischen
Behandlungen. Und wenn er erst mal draußen im richtigen Leben ist,
fragen die meisten Einstellungsformulare bei der Jobsuche nach der selben
Information... Haben wir [indem wir darauf bestanden, daß er
psychiatrische Hilfe bekommt] ihn dazu verdammt, in Zukunft beim Ausfüllen
von Bewerbungsformularen zu lügen, aus Angst vor dem Verlust der Position
oder des College? Was sollen wir tun?" Der Kolumnist der Zeitung
erkannte, daß es sich bei der Frage, die die Frau ihm gestellt hatte, um
etwas handelt, was er "a serious question. Very Serious."
nannte. Er besprach den Brief der Frau mit Paul Fink, vor kurzem noch
Präsident der American Psychiatric Association. Hier Dr. Finks
Ratschlag: " Ich würde ihnen raten, in den Formularen zu lügen ... Das
Stigma ist vorhanden, das zu leugnen und sich selbst zu opfern, indem man
die Wahrheit sagt, macht keinen Sinn. ... Mit der großen Öffentlichkeit
arbeite ich daran, das Stigma zu vermindern, aber den einzelnen Patienten
mache ich immer eindrücklich klar, wie weitverbreitet und tiefverwurzelt das
Stigma ist. ... Wenn zwei Leute mit gleich gutem Zeugnis sich um einen
Job bewerben, und einer davon war in psychiatrischer Behandlung, diese
Person wird diskriminiert werden und wird der Verlierer sein im Wettbewerb
um den Job. ... Selbst wenn die Person mit der Behandlung
bessere Zeugnisse hätte, würde sie höchstwahrscheinlich trotzdem gegen die
andere Person den Kürzeren ziehen. Das zeigt, wie tief verwurzelt das
Stigma ist. ... Ich werde niemand dazu ermutigen zuzugeben, daß
er in Behandlung war." (p. 4E).
Wollen Sie mit so einer Art von Geheimnis durch's Leben gehen? Wie gefällt
Ihnen der Gedanke, für den Rest Ihres Lebens bei Bewerbungen zu lügen?
Wenn es Ihr rebellierender Jugendlicher ist, oder Ihr Ehegatte macht Ihnen
solche Sorgen, daß Sie eine psychiatrische "Behandlung" in Erwägung ziehen,
stellen Sie sich selbst diese Frage: Hassen Sie Ihren rebellischen
Jugendlichen oder Ihren Ehegatten wirklich genug, um ihm diese Sorte von
Problem aufzuladen? Ist es wirklich das Richtige, das zu tun?
Die Probleme, die Sie veranlassen, einem Familienmitglied eine sogenannte
Therapie aufzunötigen, sind möglicherweise vorübergehend, aber das
psychiatrische Stigma währt ewig.
Der Americans with Disabilities Act (ADA), wird vermutlich nicht viel
helfen, trotz seinem Bestreben, Diskriminierung von behinderten Menschen bei
der Arbeitssuche zu beseitigen. Auch von Menschen mit angeblichen
psychiatrischen Behinderungen. Wie Jonas Robitscher, J.D., M.D., in
seinem Buch The Powers of Psychiatry gesagt hat, noch vor dem Erlaß
der ADA: "Die Offenbarung, daß man geistig krank ist, bzw. war, kann zu
Ablehnung führen, und andere Gründe für die Ablehnung lassen sich immer
finden. ... Private Arbeitgeber zu zwingen, Behinderte anzustellen,
würde Probleme heraufbeschwören, im Zusammenhang mit dem Schutz der
Privatsphäre und Probleme mit der Durchführung. Die Stigmatisierung wird
weiterhin ein Problem sein, und die Diskriminierung wird weiterbestehen."
(p.241-242). In den Bereichen der ADA wird man, um in den Genuß ihres
Schutzes zu kommen, möglicherweise sehr viel Zeit in Gerichtsverfahren
investieren müssen, und eine Menge Geld für Anwaltshonorare, mit ungewissen
Erfolgsaussichten.
Und es gibt
noch viele Bereiche der Stigmatisierung und Diskriminierung, die von der ADA
und anderen Gesetzen garnicht erfaßt werden. Ein Beispiel sind
Colleges und Universitiäten, die keine staatlichen Gelder erhalten. Ein
weiteres ist der Effekt des psychiatrischen Stigmas auf persönliche
Beziehungen: Geheimnisse voreinander zu haben bedeutet, daß Sie Teile von
sich verschweigen müssen, was Sie daran hindern wird, eine emotionale Nähe
aufzubauen, wie sie sich die meisten Leute mit Freunden und insbesondere mit
ihrem Ehegatten wünschen; aber das Teilen dieses Geheimnisses macht
Sie zum offenen Ziel für Erpressung oder ähnliche Formen des Drucks.
Das Verheimlichen von psychiatrischer "Behandlung" vor einem Arbeitgeber
(was oft notwendig ist, um einen Job zu bekommen), aber es dem Ehegatten
oder einem Freund zu offenbaren, gibt dem Ehegatten oder Freund ein Wissen,
das er gegen Sie verwenden kann, wenn's in der Beziehung kriselt.
Sollten Sie in eine Situation gebracht werden, wo Sie ihren Ehegatten oder
Freund anlügen müssen, um die Geschichte ihrer sogenannten psychiatrischen
oder pschychologischen "Therapie" geheimzuhalten (z.B. wenn er oder sie
fragen sollte), bringen Sie Unwahrhaftigkeit in eine Beziehung, wo Sie sich
möglicherweise wünschen, Sie könnten ehrlich und aufrichtig sein.
Selbst wenn Sie Ihrem Ehegatten oder jemandem, den Sie vielleicht heiraten
wollen, nichts sagen, liegt die Scheidungshäufigkeit heute schon nahe an der
Mehrheit der Eheschließungen. Und bei einer Scheidung - besonders wenn es
Streit gibt um das Sorgerecht, oder gar das Besuchsrecht - wird der Anwalt
Ihres Ehegatten Sie möglicherweise fragen, je nach den Umständen auch unter
Eid, ob Sie jemals in psychiatrischer oder pschychologischer "Behandlung"
waren - was Sie vor die Wahl stellen könnte, entweder Meineid zu begehen
oder Ihr Arbeitsverhältnis in Gefahr zu bringen, wenn Sie die Wahrheit
sagen. Ob Sie zugeben, in psychiatrischer oder pschychologischer
"Behandlung" gewesen zu sein - oder wenn es auf andere Art herauskommt, das
dadurch entstehende Stigma könnte dazu führen, daß Sie Ihre Kinder in einem
Vormundschaftsstreit verlieren, und Drohungen, dem Arbeitgeber die Wahrheit
zu sagen, könnten benutzt werden, um Druck auf Sie auszuüben, einer
Güterteilung oder Alimentation (oder Verzicht darauf) zuzustimmen, oder
einem unangemessenen Anteil an Kinderunterstützung. Es könnte nötig
werden, daß Sie sich über diese Probleme Gedanken machen, wenn sie darüber
nachdenken, ob es weise ist, zu heiraten oder sich scheiden zu lassen -
Probleme, die Sie ganz leicht hätten vermeiden können, indem Sie einfach
vermieden hätten, sich in "Therapie" zu begeben. Wahrscheinlich werden
Sie in ein entsprechendes Dilemma kommen, wenn Sie jemals in ein
Geschworenengericht berufen werden, da während der Auswahlphase potentielle
Juroren oft gefragt werden, unter Eid, ob sie irgendwann in psychiatrischer
"Behandlung" gewesen sind. Eine andere Gelegenheit, wo Sie über
frühere psychiatrische "Behandlungen" befragt werden könnten ist, wenn Sie
für Ihren Job eine Sicherheitsbescheinigung oder einen Vertrag
brauchen.
Wenn die sogenannte
Therapie eine so große Hilfe wäre, könnte sie die Probleme wert sein, die
durch das Stigma verursacht werden, psychiatrische oder pschychologische
"Hilfe" in Anspruch genommen zu haben. Allerdings wird der Nutzen, den
man von einer psychiatrischen oder psychologischen "Therapie" erwartet (an
sich eine fragwürdige Annahme) bei weitem übertroffen durch das Stigma, das
aus der Behandlung resultiert. Das Stigma, das davon herrührt, daß man
zu Psychiatern, zu Psychologen oder psychiatrischen Sozialarbeitern geht,
ist ein starkes Argument zugunsten der Möglichkeit, Freunde,
Familienangehörige oder nichtprofessionelle Ratgeber zu konsultieren, deren
Einschätzung aus dem wirklichen Leben kommt, statt von einer
"professionellen" Ausbildung, oder indem man einfach daran arbeitet, seine
Probleme selbst zu lösen.
DER AUTOR, Lawrence Stevens, ist ein
Anwalt, zu dessen Aufgabengebiet unter anderem auch die Vertretung
psychiatrischer "Patienten" gehört. Seine Pamphlete unterliegen nicht
dem Copyright. Sie sind eingeladen, Kopien davon zu machen für alle, von
denen sie denken, daß sie ihnen nützen könnten.
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