www.antipsychiatry.org
(Übers.: Heinz Kaiser)
Adresse des englischen Originaltexts:
http://www.antipsychiatry.org/depressi.htm
Unglücklichsein oder "Depressionen", von denen man
annimmt, sie seien eine Folge biologischer Fehlfunktionen, werden
"biologische", "endogene" oder "klinische" Depression genannt. In
ihrem Buch The Broken Brain: The Biological Revolution in Psychiatry
[Das kaputte Gehirn: Die biologische Revolution in der Psychiatrie], sagt
Nancy Andreasen, M.D., Ph.D., Psychiatrieprofessorin an der University of
Iowa: "Der ältere Begriff endogen impliziert, daß die Depression 'von innen
heraus wächst', daß sie also biologisch verursacht sei, man nimmt an, daß
unglückliche und schmerzhafte Ereignisse, wie der Verlust des Jobs oder des
Liebhabers, nicht als mitursächliche Gründe angesehen werden können."
(Harper & Row, 1984, p. 203). Ganz ähnlich behauptete die
Zeitungskolumnistin Joan Beck 1984 im Chicago Tribune : "depressive
Störungen sind hauptsächlich biochemisch - und nicht durch Ereignisse oder
äußere Umstände oder durch persönliche Beziehungen verursacht" (July 30,
1984, Sec. 1, p. 16).
Das
Konzept der biologischen oder endogenen Depression ist für die Psychiatrie
aus zwei Gründen von Bedeutung. Zum ersten ist es die bei weitem
häufigste angebliche geistige Krankheit. Wie Victor I. Reus, M.D., im
Jahr 1988 schrieb: "Die Geschichte der Diagnose und der Behandlung der
Melancholie könnte als eine Geschichte der Psychiatrie selber dienen."
(erschienen in: H. H. Goldman, editor, Review of General Psychiatry,
2nd Edition, Appleton & Lange, 1988,p. 332). Zum zweiten basieren
alle biologischen "Behandlungen" der Psychiatrie für Depression - seien es
Drogen, Elektroschock oder Psychochirurgie - auf der Idee, daß das
Depression genannte Unglücklichsein eher von einer biologischen Fehlfunktion
verursacht sein könnte, als durch die Lebensumstände. Der irrtümliche
Glaube an biologische Ursachen rechtfertigt die ansonsten wenig sinnvoll
erscheinenden biologischen Therapien. Und die biologischen Therapien
rechtfertigen die Existenz der Psychiatrie als ein medizinisches
Spezialgebiet, das von der Psychologie und der Lebensberatung klar
abzugrenzen ist.
Viele
Fachleute und Laien denken heutzutage, Depression würde durch ein
"chemisches Ungleichgewicht" im Gehirn verursacht werden, obwohl keine der
Theorien über ein "chemisches Ungleichgewicht" bei Depression bewiesen
werden konnte. Einige der Theorien werden von Dr. Andreasen in ihrem
Buch The Broken Brain diskutiert.
Eine der Theorien, die sie beschreibt, ist der Glaube, daß
"Depressionen" (ich denke, man sollte es einfach Unglücklichsein oder sehr
ausgeprägtes Unglücklichsein nennen) das Ergebnis neuro-endokriner
Abweichungen seien, was sich in einem weit überdurchschnittlichen
Cortisolspiegel im Blut zeige. Der Test dafür wird
Dexamethason-Suppressionstest oder DST genannt. Die Theorie hinter
diesem Test, und die vorgebliche Nützlichkeit des Tests beruhen allerdings
auf einem Irrtum, da, in Dr. Andreasen's Worten "So viele Patienten mit
deutlich ausgeprägter depressiver Krankheit normale DST- Werte haben" (pp.
180-182). Ein Artikel im Harvard Medical School Health Letter
vom Juli 1984 kam zu einem ähnlichen Schluß Der Artikel mit dem
Titel "Diagnosing Depression: How Good is the `DST'?", berichtet, daß "Von
jeweils drei Office Patienten mit einem abweichenden DST nur einer an einer
wirklichen Depression leidet. ... [Und] ein großer Teil der Leute, die
aufgrund anderer Kriterien depressiv sind, haben trotzdem normale Werte beim
DST" (p. 5). Ebenso kamen drei Ärzte in einem Artikel in Archives
of Internal Medicine vom November 1983 zu dem Schluß, daß "Daten der
heute verfügbaren Studien nicht für eine Verwendung des Dexamethason ST
[Suppression Test] sprechen" (Martin F. Shapiro,M.D., et al., "Biases in the
Laboratory Diagnosis of Depression in Medical Practice", Vol. 143, p. 2085).
1993 gesteht Connie S. Chan, Ph.D. in ihrem Buch If It Runs In
Your Family: Depression, ein: "Es gibt immer noch keinen tauglichen
biologischen Test für Depression." (Bantam Books, p. 106). Aber obwohl
der DST-Test seine Glaubwürdigkeit eingebüßt hat, sind einige biologische
Psychiater (scheinbar) so gierig nach biologischen Erklärungen für das
Unglücklichsein bzw. die "Depression", daß sie trotzdem damit fortfahren,
den DST zu benutzen. Zum Beispiel sagt der Psychiater Mark S. Gold,
M.D. in seinem 1986 veröffentlichten Buch The Good News About
Depression, er würde den DST auch in Zukunft benutzen. Dr. Gold
behauptet in diesem Buch, daß DST sich "bestens anbietet als der
diagnostische Test für biologische Depression" (Bantam, p. 155,
Hervorhebung original).
In The
Broken Brain, beschreibt Dr. Andreasen auch, was sie "Die am weitesten
verbreitete und akzeptierte Theorie über die Ursache der Depression... ,die
'Catecholamin Hypothese.'" nennt. Sie hebt hervor: "Die Catecholamin
Hypothese ist eher eine Theorie als eine gesicherte Tatsache." (p.
231). Sie sagt: "Diese Hypothese erweckt den Anschein, daß Patienten,
die an einer Depression leiden, einen Mangel an Norepinephrin im Gehirn
haben" (p. 183), Norepinephrin sei eines der "wichtigsten Catecholamin
Systeme" im Gehirn. (pp. 231-232) Eine Möglichkeit, die Catecholamin
Hypothese zu erforschen, ist das Studium der Spaltprodukte des Norepinephrin
im Urin, MHPG genannt. Leute mit einer sogenannten depressiven
Krankheit "neigten dazu, niedrigere MHPG-Werte zu haben" (p. 234). Das
Problem dieser Theorie ist, laut Dr. Andreasen, daß "nicht alle Patienten
mit Depression einen niedrigen MHPG haben." (ebd). Daher kommt sie zu
dem Schluß, daß diese Catecholamin Hypothese "den Mechanismus der Entstehung
der Depression noch nicht erklärt hat" (p. 184).
Eine andere Theorie ist, daß sehr ausgeprägtes Unglücklichsein
("Depression") durch einen zu niedrigen Serotoninspiegel oder durch eine
gestörte Verwertung des Serotonins verursacht wird. Ein vom U.S.
Congress Office of Technology Assessment zusammengestelltes Expertenforum
berichtete 1992: "Prominente Hypothesen, die Depression betreffend, hätten
sich auf eine veränderte Funktion einer Gruppe von Neurotransmittern
konzentriert, die Monoamine (z.B. Norepinephrin, Epinephrin, Serotonin,
Dopamin), besonders auf Norepinephrin (NE) and Serotonin. ... Studien
des NE- [Norepinephrin] Autorezeptors haben bis zum heutigen Tag keinen
Hinweis auf eine spezifische Abweichung bei Depression ergeben.
Derzeit ist kein klarer Zusammenhang zwischen einer anormalen Aktivität des
Serotonin-Rezeptors im Gehirn bei Depression zu erkennen. ... Die
derzeit vorliegenden Daten liefern keinen tragfähigen Hinweis für veränderte
Neurotransmitter-Levels und auch nicht für eine Störung der normalen
Rezeptor-Aktivität" (The Biology of Mental Disorders, U.S. Gov't
Printing Office, 1992, pp. 82 & 84).
Selbst, wenn eine mit der Depression "in Zusammenhang stehende"
biologische Veränderung oder Anormalität nachgewiesen werden könnte, wäre es
immer noch ungeklärt, ob es sich dabei um eine Ursache oder um eine
Auswirkung der "Depression" handeln würde. Mindestens eine Brain-Scan
Studie (mittels Positron Emissions-Tomographie, sogenannte PET Scans) ergab,
daß, indem man einfach ganz normale Personen gebeten hat, sich eine
Situation auszumalen oder in's Gedächtnis zurückzurufen, die sie in einen
sehr traurigen Zustand versetzen würde, daß sich dann signifikante
Veränderungen im Blutkreislauf des Gehirns zeigen. (Jose V. Pardo,
M.D., Ph.D., et al., "Neural Correlates of Self-Induced Dysphoria",
American Journal of Psychiatry, May 1993, p. 713). Andere
Forschungen werden vermutlich bestätigen, daß es eher die Emotionen sind,
die biologische Veränderungen im Gehirn hervorrufen, als daß biologische
Veränderungen im Gehirn die Emotionen verursachen.
Eine der populäreren Theorien biologisch verursachter
Depression war Hypoglycemie, also ein niedriger Blutzuckerspiegel. In
seinem 1976 veröffentlichten Buch Fighting Depression [Depression
bekämpfen], sagt Harvey M. Ross, M.D., "Aus meiner Erfahrung als
orthomolekularer Psychiater kann ich sagen, daß viele Patienten, die über
Depression klagen, Hypoglycemie (einen niedrigen Blutzuckerspiegl) haben.
...Da die Depression bei Personen mit Hypoglycemie so häufig auftritt,
sollte man bei jeder Person, die keinen klar erkennbaren Grund für diese
Depression hat, einen niedrigen Blutzuckerspiegel annehmen."(Larchmont
Books, p. 76 & 93). Dagegen ordnen die Psychiater Donald Klein,
M.D. und Paul Wender, M.D. in ihrem 1988 erschienen Buch Do You Have A
Depressive Illness? die Hypoglycemie in einem Abschnitt ein, der
betitelt ist: "Krankheiten, die keine Depression verursachen" (Plume, p.
61). Der Einschätzung, daß Hypoglycemie Depression verursachen könnte,
wurde auch in einem Artikel auf der Titelseite des Harvard Medical School
Health Letter vom November 1979 widersprochen, unter der Überschrift
"Hypoglycemie - Fact or Fiction?".
Eine andere Theorie einer körperlichen Krankheit, die psychisches
Unglücklichsein oder "Depression" verursacht, ist Hypothyroidismus. Im
Buch Can Psychotherapists Hurt You? [Können Psychotherapeuten Sie
verletzen?] der Psychologin Judi Striano, Ph.D., gibt es ein Kapitel mit dem
Titel "Is It Depression - Or An Underactive Thyroid?" (Professional Press,
1988). Ebenso führen drei Psychiatrieprofessoren im Jahr 1988 an:
"Frank hypothyroidism has long been known to cause depression" (Alan I.
Green, M.D., et al., The New Harvard Guide to Psychiatry, Harvard
Univ. Press, 1988, p. 135). Die Theorie besteht darin, daß die
Thyroid-Drüse, die im Nacken sitzt, normalerweise Hormone abgibt, die das
Gehirn über die Blutbahn erreichen, und die notwendig sind für das
psychologische Wohlbefinden, und daß die betreffende Person sich unglücklich
fühlen kann, wenn die Drüse zu wenig dieser Hormone produziert, selbst wenn
außer dem Unglücklichsein keine weiteren Probleme durch das endokrine
(Drüsen-)Problem entstehen. Die American Medical Association
Encyclopedia of Medicine führt viele Symptome des Hypothyroidismus auf
"Muskelschwäche, Krämpfe, niedrige Pulsfrequenz, trockene und schuppige
Haut, Haarausfall... es kann zu Gewichtszunahme kommen" (Random House,
1989, p. 563). Die Encyclopedia führt Unglücklichsein oder
"Depression" nicht als Auswirkung von Hypothyroidismus auf. Aber
angenommen, Sie beginnen bei sich "Muskelschwäche, Krämpfe...trockene und
schuppige Haut, Haarausfall... Gewichtszunahme"zu entdecken? Wie
würden Sie sich dann fühlen? - deprimiert wahrscheinlich. Ebenso wie
Hypothyroidismus (hypo = low) eine Thyroid Drüse ist, die zu wenig
produziert, ist Hyperthyroidismus eine Thyroid Drüse, die zu viel
produziert. Daher erscheint es logisch, anzunehmen, wenn
Hypothyroidismus Depression verursacht, daß Hyperthyroidismus
den gegenteiligen Effekt hat, also, daß es die Person glücklich
macht. Aber das tut es nicht. Wie Psychiater Mark S. Gold,M.D.,
in seinem Buch The Good News About Depression: hervorhebt:
"Depression tritt bei Hyperthyroidismus ebenfalls auf" (p. 150). Was
sind die Auswirkungen des Hyperthyroidismus?: Dr. Gold führt auf:
übermäßiges Schwitzen, Erschöpfung, weiche und feuchte Haut, Herzklopfen,
häufige Darmbewegungen, Muskelschwäche und hervortretende
Augäpfel. Damit verursachen sowohl Hypo- wie Hyper- thyroidismus
organische Probleme im Körper. Und beide verursachen
"Depression". Das ist nur logisch. Es ist schwer, sich anders als
schlecht zu fühlen, wenn sich der Körper nicht wohl fühlt oder wenn er nicht
richtig arbeitet. Es wurde nie bewiesen, daß Hypothyroidismus die
Stimmung anders beeinflußt, als durch seinen Effekt auf das Erleben des
Betroffenen, sich körperlich ungesund zu fühlen.
Einige Leute denken, chemische Ungleichgewichte im Zusammenhang
mit hormonellen Veränderungen seien ein Grund für "Depression", wegen der
angeblich biologischen Gründe für wechselnde Stimmungen von Frauen zu
verschiedenen Zeiten ihres Menstruatonszyklus. Dieses Argument
überzeugt mich nicht, da ich so viele Frauen kannte, deren Stimmung und
geistige Verfassung von ihrem Menstruationszyklus völlig unbeeinflußt
war. In seinem Buch The Pursuit of Happiness (William Morrow
& Co., 1992, pp. 84-85) nennt Psychologieprofessor David G. Myers, Ph.D.
das Prämenstruale Syndrom (PMS) einen Mythos. Selbstverständlich
fühlen sich einige Frauen körperlich nicht wohl aufgrund der Menstruation.
Sich körperlich elend zu fühlen reicht völlig aus, um jemanden in
eine schlechte Stimmung zu versetzen.
Einige Leute glauben, Frauen würden unerwünschte Stimmungswechsel aus
biologischen Gründen, wegen der Menopause erleben. Allerdings erschien
1990 ein Bericht über eine Studie von Psychologen der University of
Pittsburgh, die herausgefunden hat, daß "die Menopause bei gesunden Frauen
normalerweise keinen Streß und keine Depression auslöst, bei einigen würde
sie sogar das geistige Wohlbefinden noch verbessern.". Laut Rena Wing,
eine der Psychologen, die die Studie durchgeführt hatten, "Jeder hatte
erwartet, daß die Menopause ein nervlich belastendes Ereignis sei, aber wir
haben keine Bestätigung dieses Mythos gefunden." ("Menopausal stress may be
a myth", USA Today, July 16, 1990, p. 1D).
Es ist ein ebenso weitverbreiteter Glaube, daß Frauen durch
eine Periode biologisch bedingter Depression gehen, nachdem sie ein Kind
geboren haben. Man nennt dies Postpartum Depression. In seinem
Buch The Making of a Psychiatrist, zitiert Dr. David Viscott den Arzt
Dr. George Maslow, einen niedergelassenen Geburtshelfer: "Mann, Viscott,
glaubst Du wirklich an die Postpartum Depression? Ich hab'
schätzungsweise zwei Fälle gesehen in den letzten drei Jahren. Ich
denke, ihr Typen (ihr Psychiater) habt euch eine Menge Mist ausgedacht, um
euer Geschäft aufzudonnern. (Pocket Books, 1972, p. 88). Eine Frau,
die acht (8) Kinder zur Welt gebracht hat, was sie in meinen Augen zu einer
Expertin für Postpartum Depression macht, erzählte mir, was sie "Postpartum
Blues" nannte, existiere tatsächlich, aber sie führte den Postpartum Blues
eher auf psychologische als auf organische Ursachen zurück. "Ich kenne
die organischen Ursachen nicht ", sagte sie, aber "so viel davon ist
psychisch bedingt." Sie sagte "Du fühlst Dich schrecklich, was Dein
Aussehen betrifft", weil in unserer Gesellschaft von einer Frau "erwartet"
wird, schlank zu sein, und für zumindest eine kurze Zeit nach der Geburt ist
dies eine Frau eben nicht. Sie sagte weiterhin, daß bei der Frau nach
der Geburt eine beträchtliche "körperliche Erschöpfung" eintrete.".
Das Kinderkriegen ist darüberhinaus der Anfang von neuen oder zusätzlichen
elterlichen Verpflichtungen, von denen wir ehrlicherweise zugeben müssen,
daß sie ziemlich belastend sind. Die Ankunft neuer oder zusätzlicher
elterlicher Verpflichtungen und das Bewußtwerden, in welcher Weise die neuen
oder zusätzlichen elterlichen Verpflichtungen sich auf das Leben einer Frau
(oder eines Mannes) auswirken, ist eine offensichtliche nicht-biologische
Erklärung für die Postpartum Depression. Möglicherweise erkennen
Eltern erst bei der tatsächlichen Geburt die Probleme, die die Elternschaft
in ihr Leben bringt, aber ein Brief einer Freundin von mir, die gerade 3
Monate mit ihrem ersten Kind schwanger war, illustriert, daß eine mit dem
Kinderkriegen verbundene Depression lange vor der Postpartum-Periode
auftreten kann. Sie sagte, sie würde oft in Tränen ausbrechen, weil sie
glaubte, mit einem Kind wäre ihr Leben nie mehr wie vorher, und daß sie eine
"Gefangene" sein würde, und nicht mehr die Zeit haben würde, zu tun, was sie
gern tun würde. Ein Grund dafür, daß diese psychischen Gründe oft
nicht offen zugegeben werden, und der Postpartum (oder Pre-Partum) Blues
stattdessen auf unbewiesene biologischen Ursachen zurückgeführt wird, ist
unser Widerwille, die Schattenseiten der Elternschaft zuzugeben.
Eine andere Theorie der biologisch verursachten
Depression nimmt an, daß Schäden im linken vorderen Teil des Gehirns, die
durch einen Schlaganfall verursacht sind, eine Depression auslösen kann. Wie
kommt man darauf, daß dies neurologisch verursacht sein könnte, statt
einfach eine Reaktion darauf, daß eine Person einen Schlaganfall gehabt hat?
Ein durch einen Schlaganfall verursachter Schaden in der rechten vorderen
Gehirnhälfte löst angeblich "unbegründete Heiterkeit" aus. Allerdings,
bei sorgfältigem Studium der Bücher und Artikel über Neurologie, wird diese
Annahme einer unbegründeten Heiterkeit aufgrund Schädigung der rechten
vorderen Gehirnhälfte nicht bestätigt. Stattdessen geht aus der
meisten neurologischen Literatur hervor, daß aus der Schädigung der rechten
vorderen Gehirnhälfte manchmal Anosagnosie resultiert, üblicherweise
beschrieben als Fehlen von Interesse oder Unfähigkeit, seine eigenen
Probleme zu erkennen, nicht Fröhlichkeit oder Heiterkeit (z.B. Dr. Oliver
Sacks The Man Who Mistook His Wife for a Hat and Other Clinical Tales
[Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte und andere klinische
Geschichten], Harper & Row, 1985, p. 5).
Vielleicht das meistgehörte Argument ist, daß antidepressive
Medikamente nicht wirken würden, wenn die Depression nicht biologisch
wäre. Aber antidepressive Medikamente wirken garnicht Wie
Psychiater Peter Breggin, M.D., 1994 gesagt hat, "gibt es keinen Hinweis
darauf, daß Antidepressiva besonders wirksam sind." (Talking Back to
Prozac, St. Martin's Press, p. 200). In Studien wirken Placebos oft
genauso gut. Selbst, wenn Antidepressiva helfen würden, wäre das
nicht eher ein Indiz für eine biologische Ursache der "Depression", wie wenn
ich mich dadurch besser fühle, daß ich Marihuana oder Kokain nehme oder
einen Likör trinke.
Ein sorgfältiges
Studium der Bücher und Artikel von Psychiatern und Psychologen, die von der
biologischen Ursache des stark ausgeprägten Unglücklichseins, das wir
Depression nennen, überzeugt sind, offenbart meist rein psychologische
Gründe, mit denen es sich zutreffend erklären läßt, selbst wenn der Autor
meint, er habe ein gutes Beispiel für eine biologisch verursachte Depression
angeführt. Zum Beispiel behauptet Norman S. Endler, Ph.D., ein
Psychologieprofessor der York University, in seinem autobiographischen Buch
Holiday of Darkness: A Psychologist's Personal Journey Out of His
Depression [Ferien von der Finsternis: Die persönliche Reise eines
Psychologen heraus aus seiner Depression] (John Wiley & Sons, 1982),
sein Unglücklichsein oder seine sogenannte Depression "sei biochemisch
verursacht" (p. xiv). Er sagt "meine affektive Störung war zuallererst
biochemisch und physiologisch" (p. 162). Aber aus seinen eigenen Worten
wird offensichtlich, daß seine Depression zuallererst durch eine unerwiderte
Liebe verursacht war, als nämlich eine Frau, Ann, die ihm emotional sehr
nahestand, sich dazu entschloß, ihre Beziehung zu ihm "herunterzuschrauben"
(pp. 2-5) und als er einen Rückschlag in seiner Karriere erlitt (Verlust von
Forschungsmitteln) zu ungefähr der selben Zeit (p. 23). Obwohl er
behauptet, es gäbe biologische Ursachen, zitiert er nirgends irgendwelche
medizinischen oder biologischen Tests, die zeigen würden, daß er unter
irgendeiner biologischen, biochemischen oder neurologischen Anomalie
litt. Das kann er auch nicht, da es keinen anerkannten biologischen
Test gibt, der das Vorhandensein einer sogenannten geistigen Krankheit,
einschließlich angeblich biologisch verursachten Unglücklichseins (oder
"Depression"), gibt. Ebenso gibt Psychiatrieprofessorin Nancy
Andreasen in ihrem Buch The Broken Brain, das Beispiel von Bill,
einem Kinderarzt, dessen wiederkehrende Depression sie als Illustration
dafür nimmt, daß "Leute, die an einer geistigen Krankheit leiden, an
einem kranken oder kaputten Gehirn leiden [emphasis Andreasen's],
nicht an einem schwachen Willen, Faulheit, schlechtem Charakter oder
schlechter Erziehung" (p. 8). Aber sie scheint die Tatsache zu
übersehen, daß Bills angeblich biologisch verursachte wiederkehrende
Depressionen auftraten, als sein Vater gestorben ist, als es ihm nicht
erlaubt wurde, an der Medical School planmäßig zu graduieren, als seine
erste Frau die Krebs-Diagnose bekam und starb, als seine zweite Frau ihm
untreu wurde, als er inhaftiert wurde wegen Trunkenheit in der
Öffentlichkeit während einem Streit mit ihr, worüber ein Bericht in der
Lokalzeitung erschien, und als ihm seine Arzt-Lizenz aberkannt wurde, wegen
des Stigmas einer psychiatrischen "Behandlung", die er erhalten hatte. (pp.
2-7).
Einer der Gründe, über
biologische Gründe des stark ausgeprägten Unglücklichseins oder der
"Depression" zu theoretisieren ist, daß Leute manchmal unglücklich sind
wegen Gründen, die man nicht kennt, ja, die sie selber nicht
kennen. Der Grund, daß so etwas passiert, wird von den
Psychoanalytikern das Unbewußte genannt: "Freuds Untersuchungen
schockierten die westliche Welt... Indem er den Verstand mit einem Eisberg
verglich, tief eingetaucht und unsichtbar, erzählte er uns, daß der größere
Teil des Verstands irrational und unbewußt sei, und nur ein Stückchen des
Vorbewußten und das Bewußte zeige sich an der Oberfläche. Er stellte
fest, daß der größere, unbewußte Teil - ein großer Teil davon sexuell - für
unsere Lebensgestaltung wichtiger ist als der bewußte Teil, selbst wenn wir
uns vormachen, es sei genau andersherum." (Ladas, et al., The G Spot And
Other Recent Discoveries About Human Sexuality, Holt, Rinehart &
Winston, 1982, pp. 6-7). In An Elementary Textbook of
Psychoanalysis, sagt Charles Brenner, M.D.: "der Großteil des Denkens
läuft unbewußt ab...Wir glauben heute, daß...die geistigen Prozesse, die das
Verhalten des Individuums bestimmen...selbst komplexe und entschiedene
Entscheidungen - ziemlich unbewußt sein könnten." (Int'l Univ. Press, 1955,
p. 24). Ein Artikel des News Magazine berichtete 1990, daß
"Wissenschaftler, die Tests eher an normalen Personen durchführen als an
geschädigten, Hinweise fanden, daß das Denken sich aus spezialisierten
Prozessen zusammensetzt, die unterhalb der Ebene des Bewußtseins ablaufen.
...Freud scheint also richtig gelegen zu haben mit der Existenz eines
riesigen unbewußten Bereichs." (U.S. News & World Report, October
22, 1990, pp. 60-63). Daß das Unglücklichsein der Leute oder die
sogenannte Depression durch die Lebensumstände ausgelöst werden, ist nicht
immer klar ersichtlich, weil die relevanten Denkprozesse und Erinnerungen
oft versteckt sind in den unbewußten Bereichen des Verstands.
Ich glaube fest daran, daß Unglücklichsein oder
sogenannte Depression immer das Resultat von Lebensumständen
ist. Es gibt keinen plausiblen Hinweis darauf, daß Unglücklichsein oder
"Depression" jemals biologisch verursacht sind. Das Gehirn ist
Teil unserer Biologie, aber es gibt keinen Hinweis darauf, daß stark
ausgeprägtes Unglücklichsein oder "Depression" mehr biologisch verursacht
werden, als schlechte TV-Programme elektronisch. "Die Frage ist
nicht, wie man wieder geheilt werden kann, sondern wie man leben soll."
(Joseph Conrad, zitiert von Thomas Szasz, The Myth of Psychotherapy,
Syracuse Univ. Press, 1988, title page). "Wenn Psycho-Fachleute
künstliche genetische und biochemische Gründe" der Depression vorschützen,
und eher Medikamente empfehlen, als bessere Wege der Lebensgestaltung
aufzuzeigen, "leisten sie der psychischen Hilflosigkeit Vorschub und nehmen
den Leuten den Mut zum persönlichen und sozialen Wachstum" welches nötig
wäre, um tatsächlich Unglücklichsein oder "Depression" zu verhindern
und ein sinnvolles und glückliches Leben zu führen. (Peter Breggin, M.D.,
"Talking Back to Prozac" Psychology Today magazine, July/Aug 1994, p.
72).
THE AUTHOR, Lawrence Stevens ist ein Anwalt, zu dessen
Aufgaben es unter anderem gehört, psychiatrische "Patienten" zu
vertreten. Seine Pamphlete unterliegen nicht dem Copyright. Es
steht Ihnen frei, Kopien davon zu machen.
1998
UPDATE:
"...es gibt keine klinischen Tests für ein 'chemisches
Ungleichgewicht' das zur Depression beitragen könnte." Harvard
Men's Health Watch (published by Harvard Medical School) December 1998,
page 6 (Unterstreichung hinzugefügt).
2000 UPDATES
"Brain scans können nicht unterscheiden
zwischen einer depressiven Person und einer nichtdepressiven Person, und sie
haben keine Ursache für irgendeine geistige Störung lokalisiert. In
Wirklichkeit werden sie in der Biopsychiatrie hauptsächlich benutzt, um
Werbung für den Berufsstand bei den Laien zu machen, indem man den falschen
Eindruck erweckt, als könne man mit Mitteln der Radiologie unterscheiden
zwischen normalen Leuten und solchen mit psychiatrischen Diagnosen.
Die übliche Fingerfertigkeit besteht darin, daß man einen Brain Scan von
einem depressiven Patienten mit dem eines nichtdepressiven Patienten
vergleicht, bei denen andere Unterschiede zwischen den beiden
Gehirnen bestehen. Manchmal spiegeln die Unterschiede lediglich ganz
normale Varianten wider, und manchmal lassen sie drogenbedingte
(medikamentenbedingte) Schäden erkennen. Brain scans können keine
Unterschiede zwischen depressiven und nichtdepressiven Patienten zeigen,
weil bis jetzt keinerlei derartige Unterschiede festgestellt werden
konnten." Peter R. Breggin, M.D., in his book Reclaiming
Our Children (Perseus Books, Cambridge, Mass., 2000), page 293.
"Ein Serotonin-Mangel wurde bei Depression nicht gefunden. ... Immer noch wird gegenüber Patienten oft der Eindruck erweckt, bei einer Depression sei ein definitiver Serotonin-Mangel eine erwiesene Tatsache. ... Das Resultat ist eine ungerechtfertigte Inflation des Medikamentenmarktes, ebenso wie ein bedauerliches Herunterspielen der Notwendigkeit einer psychologischen Behandlung vieler Patienten." Joseph Glenmullen, M.D., clinical instructor in psychiatry at Harvard Medical School, in seinem Buch Prozac Backlash (Simon & Schuster, New York, 2000), Seiten 197-198.